Josefine Weihrauch Die Gründerin
Josefina Victoria Weihrauch wurde am 11. März 1890 als eines der fünf
Kinder des aus Eberbach stammenden Schulleiters Wilhelm Weihrauch und Berta
Weihrauch, gebürtig aus dem Gasthaus »Zur Krone« im Neudenauer
Schloss geboren.
Beruflich wollte sie ihrem Vater folgen: Nach dem Abschluss der Volksschule
in Neudenau besuchte sie deshalb das Lehrerinnen-Seminar in Freiburg i.B.,
an dem sie 1910/11 das Lehrerinnenexamen ablegte.
Ihr beruflicher Werdegang begann in Höpfingen; Josefine Weihrauch erhielt
dort 1911 bis 1912 eine Anstellung als Unterlehrerin. Es folgten zwei Jahre
an der Neudenauer Schule, denen sich drei Jahre in Mannheim anschlossen.
1917 war Josefine Weihrauch in Neckarelz tätig und ein Jahr später
kam sie kurz nach Kriegsende an die Neudenauer Schule zurück, an der
sie fortan die Stelle einer Hauptlehrerin bekleidete.
In dieser Zeit begann ihr umfangreiches Engagement für das Leben in
ihrer Gemeinde: 1918 trat Josefine Weihrauch dem Cäcilienchor bei,
dem sie bis zu ihrem Tod angehörte, spielte Orgel während den
Gottesdiensten und widmete sich neben dem Schuldienst heimatkundlichen Fragen.
Zwischen 1923 und 1933 sammelte sie gemeinsam mit dem in Neudenau als Gewerbelehrer
tätigen Heiner Heimberger Sagen und Volksüberlieferungen ihrer
Mitbürger und bearbeitete mit ihm die Fragebögen für den »Atlas
der deutschen Volkskunde«.
Im Jahr 1933 entschloss sie sich auf Anregung von ihrem Kollegen Raphael
Kaiser, mit ihm ein Heimatmuseum zu begründen, dessen Sammlungen sie
nach Kaisers Tod 1938 allein weiterführte und betreute.
Während der Zeit des Nationalsozialismus trat Josefine Weihrauch der
Partei bei und übernahm im Ort die Führung der Parteikasse. Infolgedessen
wurde sie nach Kriegsende interniert: Am 26.08.1945 morgens um 6 Uhr wurde
sie nach Ludwigsburg gebracht. Während ihrer Abwesenheit kamen viele
Gegenstände aus der Sammlung des Museums abhanden; der Bruder einer
damals in Neudenau tätigen Lehrerin soll Möbel, Waffen. Münzen,
Bilder und den alten Rathaustisch entwendet haben.
Durch ihren unermüdlichen Sammeleifer gelang es Josefine Weihrauch
jedoch, nach ihrer Rückkehr die Sammlung neu zu begründen und
sie weiter auszubauen. Zur Hand gingen ihr dabei ihre Schüler, die
sie zum Sammeln anregte und die sie für die Bedeutung historischer
Gegenstände und damit verbundene Fragestellungen sensibilisierte.
Zur Museumsarbeit gesellten sich auch denkmalpflegerische Aktivitäten;
ein Hauptanliegen war ihr u.a. die Freilegung des Fachwerks an den Häusern,
die den Neudenauer Marktplatz säumen.
Im Jahr 1951 konnte Josefine Weihrauch auf eine 40jährige Tätigkeit
im Schuldienst zurückblicken; aus diesem Anlass überreichte
ihr der damalige Kreisschulrat Kübler aus Mosbach eine Ehrenurkunde.
Im gleichen Jahr wurde das Museum, das in einigen Räumen des ehemaligen
Schulhauses untergebracht war, zum ersten Mal der interessierten Neudenauer
Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Zwei Jahre später musste Josefine Weihrauch wegen eines schweren
Herzleidens aus dem Schuldienst ausscheiden. Mit einem ruhigen Rentnerinnen-Dasein
gab sie sich jedoch nicht zufrieden: Nach der Pensionierung investierte
sie ihre gesamte Energie in die Erweiterung der Museumsbestände und
des Museums, das Raum für Raum vergrößert werden konnte.
Durch ihren unermüdlichen Einsatz für die Sammlung gelang es ihr,
das Heimatmuseum zu einem der bedeutendsten volkskundlichen Museen des
Frankenlandes auszubauen.
Anerkennung für ihr Engagement in der Heimat- und Denkmalpflege erhielt
Josefine Weihrauch im Jahr 1964 am Vorabend ihres 75. Geburtstages. Die
Stadt Neudenau zeichnete sie mit der Ehrenbürgerwürde für
ihre besonderen Verdienste um das kulturelle Leben der Stadt, für die
Sammlung, Einrichtung und Betreuung des Heimatmuseums aus. Diese Gelegenheit
ließ Josefine Weihrauch nicht ungenutzt verstreichen; sie übergab
ihre Sammlung offiziell der Stadt. Derart in die Pflicht genommen, wurden
dem Museum ein kleiner Etat und nach dem Umzug der Schule in ein
neues Gebäude zuletzt 7 Räume, 2 Flure und das große
Speicherzimmer zur Verfügung gestellt.
Zudem warb Josefine Weihrauch bei den Neudenauern um Interesse und Teilnahme
an ihrer Arbeit. Nach der von ihr angeregten Gründungsversammlung für
einen Verein der Heimatfreunde im April 1966, die ohne große Resonanz
blieb, erhielt die Museumsleiterin am 11. März 1977 ein ungewöhnliches
Geburtstagsgeschenk: Der Neudenauer Heimatverein wurde gegründet, der
sie in ihrem Schaffen unterstützte und die von ihr begonnene Initiative
weiterführt.
An ihrem neunzigsten Geburtstag am 11. März 1981 fand Josefine Weihrauch
überregionale Anerkennung; ihr wurde durch den leitenden Regierungsdirektor
Dr. Mai das Bundesverdienstkreuz am Band verliehen.
Trotz ihres hohen Alters war sie täglich um ihre Sammlung bemüht;
im Oktober 1981 stürzte Josefine Weihrauch in ihrem Geburtszimmer im
Schloss, als sie an ihrem Museum arbeitete. An den Folgen dieses Unfalls
starb sie einige Tage später am 28. Oktober 1981.
[Andrea Göldner]
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